Die Nanowelt der Zelle: zelluläre Kommunikation neu entdeckt | Podcast Wissen Schafft
12. Oktober 2025
Stellen Sie sich eine lebende Zelle als ein hochkomplexes Hauptquartier vor, das ständig Hunderte von Befehlen gleichzeitig erhält. An der Oberfläche docken unzählige Botenstoffe wie Hormone und Neurotransmitter an über mehr als 800 verschiedene G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs) an, von denen bis zu 100 Typen auf einer einzigen Zelle sitzen können.
Das große Rätsel für die Wissenschaft war lange Zeit: Wie kann die Zelle all diese unterschiedlichen Signale spezifisch und gleichzeitig verarbeiten, wenn sie im Inneren nur eine Handvoll universeller zweiter Botenstoffe nutzt, vor allem das Molekül cAMP(Cyclisches Adenosinmonophosphat)?.
Bisher galt das Zellinnere (Cytosol) oft als ein großes, freies "Schwimmbecken", in dem sich cAMP schnell ausbreiten und überall die gleiche biochemische Reaktion auslösen müsste – die Zelle sollte also nur wie ein einfacher „An/Aus“-Schalter funktionieren.
Die bahnbrechende Entdeckung:
Das Forschungsteam um Prof. Dr. Martin Lohse und Prof. Dr. Andreas Bock (unter anderem vom Max-Delbrück-Centrum, der Universität Würzburg und ISAR Bioscience) konnte nun zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Sie entdeckten winzige, abgeschottete Kommunikationsräume – die Rezeptor-assoziierten unabhängigen cAMP Nanodomänen (RAINs).
RAINs als unabhängige Schalter:
RAINs sind winzige, selbstversorgende und unabhängige zelluläre Signaleinheiten. Diese Domänen sind extrem klein: Ihr Radius liegt zwischen 30 und 60 Nanometern.
Die Funktion der RAINs erklärt die lang beobachtete Spezifität der Zellsignale:
1. Lokalisierte Spezifität: Bei schwacher Stimulation durch Botenstoffe beschränkt sich die Erhöhung der cAMP-Konzentration auf diese Nanodomänen, direkt um den aktivierten Rezeptor herum.
2. Unabhängigkeit: Diese lokalen cAMP-Signale sind vor Signalen anderer Rezeptoren geschützt und vermischen sich nicht mit dem restlichen zellulären cAMP. Dies ermöglicht es der Zelle, verschiedene Signalwege sehr lokal ein- und auszuschalten. Die Zelle kann so Tausende unabhängiger zellulärer Signale gleichzeitig orchestrieren und funktioniert eher wie ein „Chip“, der viele Schalter parallel verarbeitet, und nicht wie ein einzelner Transistor.
3. Medizinische Relevanz: Die RAINs beinhalten nicht nur lokal produziertes cAMP, sondern auch gebundene PKA (Proteinkinase A) und Phosphodiesterasen (PDEs), die die Größe und Form der Domänen steuern.
4. Fusion bei Starker Reizung: Erst bei starker Stimulation kommt es zum „Überlaufen“ der Signalmoleküle. Die RAINs beginnen zu verschmelzen, die Konzentrationen gleichen sich an, und das cAMP-Signal wird zellweit generalisiert.
Fazit und Ausblick:
Die Entdeckung der RAINs eröffnet ein komplett neues Forschungsfeld in der Zellbiologieund erhöht die Komplexität der Signalwege um ein Vielfaches. Wenn RAINs bei kranken Zellen (wie Leberkrebszellen oder im kranken Herzen) nicht mehr richtig funktionieren, bietet dieses Wissen neue therapeutische Potenziale. Wollen Sie erfahren, wie man mit dieser Erkenntnis in Zukunft Substanzen entwickeln könnte, die nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ unterschiedliche Effekte im Körper erzielen (zum Beispiel bei Opioiden)? Quelle: https://doi.org/10.1016/j.cell.2022.02.011 /// Podcast Wissen Schafft ///
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