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Prof. Dr. med. Harald Schmidt
Heute geht es, passend zum vorherigen Podcast zu FSME und Zecken, wieder um einen Hautbefall, der recht aktuell ist, die Krätze //
“Ich krieg die Krätze!” bedeutet soviel wie ich bin total genervt. Es wird mir zu viel.
Krätze nimmt zu
Bis vor einigen Jahren hätten die wenigsten gewusst was genau die Krätze ist. Krätze galt als seltene Erkrankung.
Hat sich geändert; In Deutschland immer häufiger.
Ausbreitung unterschätzt; immer häufiger versagen gängige Therapien.
Zunahme
Aufgrund der fehlenden generellen Meldepflicht keine genauen Fallzahlen.
Anhand der Diagnosedaten von Patienten, die vollstationär in ein Krankenhaus aufgenommen wurden, ein Anstieg der Erkrankungen.
Skabiesfälle in deutschen Krankenhäusern (absolute Fallzahl)
Was genau passiert bei Krätze?
Befall der Haut mit der Skabiesmilbe / Krätzemilbe, ein Spinnentier
0,5 mm, mit bloßem Auge höchstens als Punkt
auf Mensch spezialisiert
Haustiere nicht befallen.
Ebenso überleben Tiermilben auf dem Menschen nicht lange.
Keine Infektion, sondern “Besiedlung” der Hornschicht der Haut
nicht in die tieferen Hautschichten
Bevorzugt Areale mit dünner Hornschicht und hoher Temperatur
Weibliche Milbe gräbt täglich 5 mm, Komma-artige, unregelmäßig gewundene Gänge
Ende manchmal ein kleines Bläschen
In diesen Gängen werden Eier abgelegt
Krätzemilbe stirbt nach 30 bis 60 Tagen
Aus den Eiern entwickeln sich innerhalb von zwei bis drei Tagen Larven,
die vor allem Hautfalten besiedeln
nach zwei bis drei Wochen geschlechtsreif, nächste Milbengeneration, u.s.w.
Zusätzlich Ekzem möglich
Skabies vom lateinischen Wort für kratzen: scabere
Juckreiz durch Immunantwort: Typisch am ganzen Körper und nachts
Besiedlung
Übertragung von einem begatteten Milbenweibchen ausreichend, i.d.R. ca. 15
Bei besonders ansteckender Krusten-Skabies Tausende bis Millionen Krätzemilben,
Schon durch Hautschuppen übertragen
I.d.R. von Mensch zu Mensch; es muss also eine Person im Umfeld infiziert sein
→ gründlich Nachforschen; Ping-Pong vermeiden
Textilien (z. B. Bettwäsche) theoretisch möglich
überleben außerhalb des Menschen nur 48 h
Milben bewegen sich langsam und orientieren sich an Geruchs- und Temperaturunterschieden.
Großflächigen, längeren und kontinuierlichen Haut-zu-Haut-Kontakt 5-10 min,
Durch Ausbreitung in Freundeskreisen angezweifelt
Nicht Händeschütteln oder Umarmen von Patienten mit gewöhnlicher Skabies
Vor allem Familienmitglieder, Partner, Pflege- und Betreuungskräfte
Symptome
Erst nach langer Zeit 2-4 Wochen
Typisch Juckreiz in der Nacht
Am ganzen Körper, im Gegensatz zum Beispiel zum Handekzem, bei dem nur die sichtbar betroffene Haut juckt.
Praktisch immer: Hände und/oder Füße: Handkanten, Fingerseitenkanten/zwischenräume
Auch: Analfalte, Leiste, Knöchel, Brustwarzenhof, Penisschaft
Evtl. später Exanthem
Ausnahme Krustenskabies
Krusten und Borken, die leicht an Psoriasis erinnern.
hoch ansteckendend
kann Juckreiz fehlen.
Oftmals Ältere mit vielen Erkrankungen, immunsupprimierte
Diagnose erst, wenn bei Kontaktperson gewöhnliche Krätze.
Meldepflichtig?
Keine generelle Meldepflicht.
Wenn allerdings Menschen in Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Pflegeheime, Asylbewerberunterkünfte, Justizvollzugsanstalten) Gesundheitsamt melden.
Warnhinweise an Kindergärten und Schulen („in unserer Einrichtung ist Krätze aufgetreten“) inzwischen genauso häufig auf wie bisher für Läuse.
Risikogruppen
Menschen auf engem Raum
Vorwiegend Kinder und Jugendliche, Kindergarten, oft unzureichend behandelt
Altersheim, v.a. immunsupprimierte Ältere (Krusten-Skabies!)
Gefängnis
Obdachlosenheim
Migranten aus Ländern mit höherer Prävalenz
Häufig wechselnden Sexualpartnern.
Verbesserte Diagnose, mehr Fälle erkannt.
Behandlung
Krätzmilbe abtöten (ovozid)
beim Patienten selbst
sowie bei allen möglicherweise bereits infizierten Kontaktpersonen vorsorglich mit behandeln: selbe Wohnung, sowie Geschlechtspartner.
Rp. Äußerlich: Permethrin (Infectoscab®, Permethrin biomo®), einmal, tötet ab
Ab dem 3. Monat (auch unter 2 Monaten laut Leitlinie, nicht Zulassung)
früher extrem zuverlässige
erstmals aus Australien Berichte deutlich an Wirksamkeit verloren
Rp. Innerlich: Ivermectin (Scabioral®),
tötet nicht ab, daher Wiederholungsbehandlung nach 7–14 Tagen
Gewichtsadaptiert 0,2 mg/kg KG (ggf. aufrunden)
Juckreiz nimmt sogar zu
bessere Abheilungsraten, immer noch Therapieversager
Große Nachfrage, starke Lieferschwierigkeiten, mehrere Wochen nicht verfügbar
Rp.-frei, wichtige Alternative, äußerlich, mehrere Tage
Benzylbenzoat-Creme (Antiscabiosum®)
Crotamiton (Crotamitex®)
Unabhängig welche Therapie,
mehrere Wochen, gegebenenfalls Monate akribisch nachkontrollieren,
persistierende Infektion / Reinfektion aus dem Umfeld sicher ausschließen.
Äußerliche Behandlung richtig durchführen
Fingernägel kürzen und reinigen: durch Kratzen Milben unter den Nägeln
Gründlich duschen / Baden: Hautschuppen entfernen
Abkühlen: 60 Minuten nach dem Baden warten
Unterkiefer bis Zehen den ganzen Körper gründlich und lückenlos eincremen/Lotio
Helfen lassen: Handschuhe!
Bei Säuglingen, Kleinkindern und Krustenkrätze auch der Kopf
Augen und den Mund aussparen
Hände gewaschen? Sofort wieder eincremen.
Erst nach der gesamten Einwirkzeit (8-12 h, über Nacht, bis zu 4 d) duschen/baden.
Bett, Kleidung, Schuhe, Möbel...
Bett frisch beziehen
Textilien, 4 d vor der Therapie direkten Hautkontakt
(z. B. Kleidung, Bettwäsche, Handtücher):
mindestens 50°C für wenigstens zehn Minuten waschen
Schuhe: Oft vergessen, täglich wechseln
Alles, was nicht so heiß gewaschen (z. B. Stofftiere, Schuhe) in Plastiksack:
72 h, 21°C, z. B. vor Heizkörper
Oder 7 d
Polstermöbel, Autositze oder Teppiche wenn Hautkontakt bestand:
absaugen, mind. 48 Stunden nicht benutzen,
Wie lange infektiös
Wann Kinder wieder in den Kindergarten bzw. Schule und Erwachsene zur Arbeit?
Nach Permethrin: 8-12 h
Nach Ivermectin: 24 h
Dennoch bis 36 h auf engen Körperkontakt verzichten, Milben noch beweglich
Bei der Krustenkrätze: Isolation, nach der Wiederholungsbehandlung, nach 7-15 d.
Behandelt und nun?
Nach der Behandlung noch einige Wochen Juckreiz und Ekzem
Haut beobachten: Keine neuen Rötungen?
Juckreizlindernde Basispflege: Folge-Ekzem durch Kratzen zu vermeiden
Zusammenfassung: //
Krätze einst selten, wieder häufiger
Typisch Jucken am ganzen Körper und nachts
Übertragung und Besiedlung nur bei relativ langem Kontakt
Behandlung äußerlich oder innerlich, lange und diszipliniert, auch Kleidung, Bett und Möbel
Kontaktpersonen mit behandeln
Jucken kann noch anhalten, Haut pflegen //
Pharma-Song: //
Heutiger Song:
Titel “Die Krätze ist wieder da”
Sven van Thom
2017 Album “Pudding mit Frisur”
Zitat: “”
Links: https://youtu.be/fIFf6Ou6wYI / https://open.spotify.com/track/3TC2ZNRQpZwohJBiQNCsDy?si=D_9Kj08rTZCQJAfhYXar8Q //
Literatur
Diagnosedaten der Krankenhäuser ab 2000 (Eckdaten der vollstationären Patienten und Patientinnen). Gesundheitsberichterstattung des Bundes. ICD10: B86 Skabies, www.gbe-bund.de, Abruf am 18. April 2019
Dressler C, Rosumeck S, Sunderkötter C et al. The treatment of scabies – a systematic review of randomized controlled trials. Dtsch Arztebl Int 2016;113:757-762
Kämmerer E. Skabies – Erfahrungen aus der Praxis. Deutsches Ärzteblatt 2018;115(15):A700-702
Salavastru CM, Chosidow O, Boffa MJ et al. European guideline for the management of scabies. J Eur Aacad Dermatol Venerol 2017;31(8):1248-1253
Skabies (Krätze). Ratgeber für Ärzte. Herausgegeben vom Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 2016;27:229-239, www.rki.de
Sunderkötter C, Aebischer A, Neufeld M et al. Zunahme von Skabies in Deutschland und Entwicklung resistenter Krätzemilben? Evidenz und Konsequenz. J Dtsch Dermatol Ges 2019;17(1):15-23
Sunderkötter C, Feldmeier H, Fölster-Holst R et al. S1-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Skabies. AWMF-Registernummer: 013-052
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